Aus der Schiri-Kabine (9. Kolumne)
Wenn ein gestandener Mann eine Schülerin lautstark anpöbelt, kann etwas nicht mit rechten Dingen zugehen. Wenn er zur gleichen Zeit als Trainer einer Jugendmannschaft am Spielfeldrand steht, macht es mich im ersten Moment sprachlos und dann wirklich wütend. Was war passiert?
– In diesem Beitrag werden keine Vereine oder Namen genannt. Es soll lediglich das Thema angesprochen und etwas zum Nachdenken angeregt werden. – Es ging nicht um die Meisterschaft und auch nicht gegen den Abstieg. Zwei Teams aus dem Mittelfeld spielten gegeneinander. Die Spieler waren maximal 15 alt und so ambitioniert, wie es im Jugendbreitenfußball eben der Fall ist.
Schon nach zwei Minuten stand die junge Schiedsrichterin im Fokus. In einem Zweikampf verletzte sich ein Akteur so schwer, dass er vom Notarzt behandelt werden musste. Sein Weiterspielen war ausgeschlossen. Für die Unparteiische waren es die ersten 120 Sekunden ihrer Karriere. Natürlich war sie überrascht, vielleicht auch etwas geschockt oder überfordert. Jedenfalls hat sie nicht auf Foulspiel entschieden, was grundsätzlich auch nicht vorgelegen haben musste. Verletzungen gehören beim Fußball auch nach fairen Tacklings leider dazu. Fest stand zu diesem Zeitpunkt, dass die neue Schiedsrichterin fortan ein schweres Kreisklassenspiel vor der Brust hatte. Verantwortliche beider Vereine machten es ihr durch diverse Rufe nicht einfacher und sorgten so für eine angespannte Atmosphäre auf und neben dem Platz.
Kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit ereignete sich die anfangs beschrieben Situation. Ein mögliches Foulspiel im Strafraum wurde nicht geahndet. In diesem Moment verlor der Trainer die Fassung und lief wildgestikulierend Richtung Schiedsrichterin auf das Spielfeld. Er schrie sie an und verunsicherte nicht nur das Mädchen zusätzlich, sondern verpasst es seinen Spielern und allen Anwesenden ein Vorbild zu sein, indem er sportlich fair mit einer solchen Entscheidung in einem normalen Saisonspiel auf unterster Amateurebene umgeht. Betonen möchte ich allerdings, dass ein solches Verhalten in keiner Liga auch nur im Ansatz zu tolerieren ist.
Der negative Höhepunkt der Partie folgte aber noch. Und leider muss man sagen, dass das Verhalten des Trainers maßgeblich dazu beigetragen hat. In einem Zweikampf gerieten zwei Spieler aneinander. Angeblich habe der eine den anderen gewürgt und geschlagen. Bestätigt ist das nicht. Berichtet wurde, dass anschließend der andere Spieler sich mit einem Kopfstoß revanchiert haben soll. Beide Geschehnisse wurden von der Spielleiterin nicht erkannt und auch der Schiedsrichterparte hat diese nicht gesehen. Um weitere Eskalationen zu vermeiden, entschied sich einer der Trainer dazu, das Spiel nicht fortzusetzen und holte seine Spieler vom Feld – Spielabbruch!
Wie hätten die Mannschaften am besten reagieren sollen? Als erstes sollten sie reflektieren, auf welcher Ebene sie sich befinden und wie wichtig dieses eine Fußballspiel tatsächlich ist. Trainer, die das tun und begreifen, üben ihr Amt mit einer ganz anderen Grundeinstellung aus. Im Fokus stehen dann das Fairplay und die Weiterentwicklung der Heranwachsenden – im sportlichen, aber auch im persönlichen Bereich. Als die beiden Übungsleiter gemerkt haben, dass das Spiel etwas zu hart geführt wird, hätten sie sich im besten Falle kurz abgesprochen und ihre Teams etwas gebremst. In der Halbzeit hätten sie dann die Möglichkeit gehabt, die Schiedsrichterin dazu zu bitten, etwas kleinlicher zu pfeifen und auf solche Dinge mehr zu achten – gemeinsam und mit dem Hinweis, dass sie ihre Spieler ebenfalls in die richtigen Bahnen lenken werden. Ich behaupte, dass dadurch sämtliche Eskalationen nicht passiert wären und das beispielhafte Verhalten beider Vereine ein großes Lob verdient gehabt hätte. – Die Schiedsrichterin war keineswegs fehlerlos. Aber in ihrem allerersten Spiel, in dem sie auch noch so massiv angegangen wurde, mache ich ihr keinen Vorwurf.
Sportliche Grüße
Dajinder
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